Charakteristisch für Massenschadensfälle ist, dass es eine Vielzahl von Verfahren gibt, bei denen die zugrundeliegenden Sachverhalte ähnlich gelagert sind und sich punktuell unterscheiden.
Hieraus könnte man den Schluss ziehen, dass aufgrund dessen dann ja auch eine individuelle mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist und alles im schriftlichen Verfahren geregelt werden kann.
Doch unserer Erfahrung nach ist genau das Gegenteil der Fall.
Gerade weil in Massenschadensfällen oftmals viele Schriftsätze ausgetauscht werden, die häufig sehr umfangreich sind und sich die Gerichte aufgrund der bloßen Masse der Verfahren teilweise nicht die Zeit nehmen können, alles im Detail durchzugehen und die wesentlichen Informationen zu filtern und zusammenzutragen, ist eine mündliche Verhandlung und die Qualität der Prozessanwälte wichtig.
Eine Verhandlung in einem Massenschadensfall kann fünf Minuten dauern und sich darauf beschränken, dass die Anwesenheit aufgenommen, die Anträge gestellt und in „Dieselverhandlungen“ der aktuelle Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs eingeführt wird (absolute Basics).
Allein dafür ist es jedoch nicht erforderlich, dass die Beteiligten sich zu einem Gerichtstermin treffen, weil dies ebenso im schriftlichen Verfahren geleistet werden kann.
Wird die mündliche Verhandlung jedoch als Gelegenheit verstanden, um wichtige Weichen zu stellen und Stellschrauben nachzujustieren, ist diese sehr sinnvoll, dauert aber trotzdem – zumindest in der ersten Instanz – selten länger als 30 Minuten. Wahrscheinlich kann oder darf sie auch nicht länger dauern, da aufgrund der Masse an Verfahren eng getaktet werden muss.
Allerdings ist diese Zeit meist auch völlig ausreichend, da ausführlich schriftsätzlich vorgetragen wurde und die mündliche Auseinandersetzung sich daher, neben den o.g. absoluten Basics, auf folgende Punkte beschränken kann und trotzdem einen erheblichen Mehrwert mit sich bringt:
• Abgleich, ob allen Beteiligten die aktuellen Schriftsätze zugegangen sind und hier ggf. Schriftsatznachlass benötigt wird.
• Es können die jeweiligen Besonderheiten in den Vordergrund gerückt und sichergestellt werden, dass diese Informationen und Argumentationen auch beim Gericht Gehör finden und gerade in Massenverfahren nicht untergehen.
• Die streitigen Punkte können herausgearbeitet werden, auf die Beweislast und die Beweisangebote kann hingewiesen werden.
• Die neueste Rechtsprechung und deren Auswirkungen auf das hiesige Verfahren kann dargestellt werden.
• Es kann erfragt werden, ob/wo das Gericht noch Baustellen oder Unklarheiten sieht und es kann hierauf entsprechend reagiert werden.
Im schriftlichen Verfahren kann das manchmal nicht punktuell und zielgerichtet geleistet werden, da hier die Gefahr besteht, dass man nicht direkt und unmittelbar auf die Reaktion der Gerichte und der Gegenseite eingehen kann und daher wieder aufgrund der Masse einige Punkte untergehen oder nicht genau an der richtigen Stelle platziert und/oder in den Fokus gerückt werden. Zudem kann in der mündlichen Verhandlung mit Mimik, Gestik, Betonung und Timing die eigene Argumentation oftmals noch eindringlicher dargestellt werden.
Fazit: Gerade weil Gerichte mit der Masse an Verfahren zu kämpfen haben, die Schriftsätze umfangreich und die Sachverhalte in größten Teilen identisch sind, sind mündliche Verhandlungen wichtig.